· 

Für die Rechte Geflüchteter, für Menschenrechte.

Heute war das Bündnis Seebrücke Berlin und Seebrücke - Schafft sichere Häfen nebst vielen anderen Organisatione in Berlin und in 64 Städten in sechs Ländern auf der Straße.
Für die Rechte Geflüchteter, für Menschenrechte.

 

Auch wir waren in Berlin dabei. Das war unser Redebeitrag:

 

 

Syrien wurde zu gefährlich, auch in Damaskus. Also bin ich mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen, die damals 6 + 4 Jahre alt waren auf die Flucht.

 

Vorher haben wir alles verkauft, damit wir Geld haben.

 

In der Türkei fanden wir eine Gruppe, die einen Schlepper kannte. Das war dort wie auf einem Markt, nur, dass man für Schwimmwesten und Schlepper Geld gab.

 

Die Schwimmwesten waren sehr schlecht und ich glaube, dass sie nicht wirklich funktioniert haben. Denn ich hatte gehört, dass es verschiedene gab. Die billigen, ca. 50 EUR/Stück würden einen nur kurz über Wasser halten und sich dann schnell vollsaugen und man würde im Meer versinken. 

 

Aber es gab keine anderen, was sollte ich tun, nur ich konnte schwimmen.

 

Ich vertraute auf Allah.

 

Abends sollten wir auf ein Gummiboot, das vielleicht für 30 Leute war. Aber wir waren 60-70 Leute. Es gab kein zurück. Denn dort wo wir waren, an dem Küstenstück, waren nur Klippen. Den einzigen Zugang kontrollierten die Schlepper.

 

Wir saßen im Boot, ich mit dem 6jährigen, meine Frau den 4jährigen, es war eng, überfüllt, wir alle hatten Angst. Aber wir fuhren los.

 

Als wir die Küste von Griechenland sahen kam plötzlich ein größeres Schiff, wie eine Yacht. Die Männer hatten Waffen und zwangen jede einzelne Person von uns auf ihr Schiff, sie trennten die Männer von den Frauen. Ich weiß nicht, wieso ich so viel Glück hatte, aber sie schoben mich mit meinem Sohn auf dem Arm, zu den Frauen.

 

Wir alle hatten unfassbare Angst.

 

Die Männer wurden gezwungen, sich nackt auszuziehen und alles was sie an Wertsachen hatten, Smartphone, Geld, Schmuck, an sie zu geben.

 

Sie schrien uns alle immer wieder an, ich bin mir sicher, sie wollten uns über Board werfen. Mein Sohn weinte und weinte und nahm die Hand von dem einen Mann und sagte ihm weinend, er will nach Hause, immer wieder.

 

Ich weiß nicht, ob der Mann es verstand, aber dann ließen die Männer uns wieder auf das Schlauchboot, von dem sie den Motor vorher entfernt hatten.

 

Wir saßen in diesem Boot, ohne Motor, konnten nichts machen.

 

Es war sehr leise, das werde ich nie vergessen, niemand bewegte sich, für 6 Stunden.

 

Nach 6 Stunden kam ein Schiff näher und irgendjemand in unserem Boot zerstach unseres, er schrie, dass die Schleuser meinten, man solle das tun, denn dann würde man gerettet werden.  Es war furchtbar, denn die Luft ging raus und ich konnte nur meinen einen Sohn halten. Ich weiß nicht, wie meine Frau und mein Kleinster rausgezogen wurden, ich sah sie beide im Wasser verschwinden, als man mich rauszog und rettete. Erst an Board des Rettungsschiffes sah ich sie wieder.

 

Niemand kann sich vorstellen, was wir durchgemacht haben, ohne es selbst erlebt zu haben.

 

Bis heute danke ich den Menschen, die mit dem Schiff kamen um uns zu retten.

 

Aber ich glaube auch, ganz sicher, bis heute, dass uns mein Sohn das Leben rettete, als er von diesem Mann die Hand nahm.

 

Als wir später von der Insel zum Festland mit einem sehr großen Schiff gefahren wurden, sah ich, wie ein Schlauchboot umkippte. Es drehte sich einfach und die ungefähr 20 Menschen fielen einfach in das Meer. Sie schrien, versuchten oben zu bleiben, keiner konnte schwimmen.

 

Niemand kam um sie zu retten. Niemand. Was ich da sah, niemand kann sich das vorstellen.

 

Was ich da sah, bis heute, ich kann es kaum ertragen.

 

 

Früher ging ich viel schwimmen, auch nachts. Ich habe es geliebt. Heute, nein, ich glaube, ich kann nie wieder ins Meer.

 

 

 

 

Ich komme aus Syrien und bin einer von drei Söhnen. Ich floh über die Türkei mit einem Boot nach Griechenland. Es war eine der schlimmsten Nächte meines Lebens.

 

Ja, damals, als ich unter dem Schutt vergraben war, als eine Fassbombe unser Haus traf, ich zwei Beine, einen Arm und ein Augenlicht verlor, auch da hatte ich Angst, aber diese Überfahrt mit dem Gummiboot, ich will mich daran nicht so oft erinnern.

 

Ich floh gemeinsam mit  meinem Cousin, der mich in meinem Rollstuhl von Syrien bis in die Türkei schob.  

 

Die einzige Möglichkeit der Überfahrt nach Griechenland war durch die Schleuser. Sie nehmen viel Geld dafür.

 

Ich hätte mir gewünscht, ich hätte mit dem Flugzeug kommen können, denn ich hatte sehr viel Angst.

 

Wir waren drei Menschen mit Rollstuhl in meinem Boot. Die Rollstühle nahm man uns aber vorher ab. Wir würden in Griechenland ja neue erhalten, sagten sie uns. Aber es war eine Lüge.

 

Die Fahrt war schlimm, sehr schlimm.

 

In das Boot passen eigentlich nur 20 Menschen, wir waren aber mehr als 50. Kinder, Babys, Frauen, Männer. Viele weinten, hatten Angst. Ich bin mir sicher, kaum jemand konnte schwimmen. Die Menschen saßen nebeneinander, fast übereinander.  

 

Den Schleusern ist es egal, sie wollen eh nur Geld.

 

Einer von uns Flüchtenden steuerte das Boot und wir kamen der griechischen Küste nah, wir konnten sie sehen. Aber dann kam ein Metallschiff. Sie hielten unser Boot fest und schleppten uns wieder raus auf das Meer, dort ließen sie uns los. Das Schiff fuhr dann weg, ließ uns dort.

 

Nach ungefähr 10 Minuten kam es zurück und die Leute von dem Schiff zerstachen unser Boot.

 

Ich hatte sehr viel Angst, die Kinder und Frauen haben geschrieben, die Babys geweint, ich kann das nicht vergessen.

 

 

Ich hatte sehr viel Glück, wir alle auf dem Boot hatten das, denn ein Schiff kam und rettete uns. Ich weiß nicht, wie es heißt, aber ich weiß, dass wir alle ohne sie gestorben wären. Ich lebe heute nur wegen ihnen.

 

 

 

 

Mein Mann wurde im Irak entführt, nachdem wir ihn freikauften, waren wir und unsere vier Kinder nicht mehr sicher. Daher sind wir mit meinem Bruder, seiner Frau und deren 3 Kindern geflüchtet.

 

Wir haben alles verkauft, alles was wir hatten, damit wir die Flucht bezahlen konnten. Zum Glück ging es uns vorher sehr gut. Wir hatten vier Häuser, mehrere Autos und Land. Wir wussten, eine Flucht wird sehr teuer.

 

Wir sind gemeinsam in die Türkei und dort sprach uns ein Schleuser an. Er würde uns mit dem Boot bringen. Erwachsene 2.000 EUR, je Kind 1.000 EUR. Was blieb uns weiter übrig!?

 

Die Flucht startete nachts um 2 Uhr. Es war finster und kalt, denn wir flohen im Winter.

 

Am Strand trieben sie uns in das Boot. Es war so klein und wir so viele Leute. Wir waren ungefähr 50 Leute für ein Boot, das sicher nicht mehr als 20 tragen sollte. Wir hatten sehr viel Angst, denn niemand von uns kann schwimmen.

 

 An Bord sollten wir eigentlich Schwimmwesten bekommen, aber die reichten nicht für alle, so hatten weder die Kinder noch wir eine.

 

Ich werde diese Nacht niemals vergessen. Wir fuhren auf das Meer hinaus, man konnte nichts sehen, nur Sterne und das schwarze Meer unter uns. Die Wellen waren so heftig, Kinder weinten, den Menschen wurde schlecht, sie übergaben sich.

 

Wir fuhren ungefähr 5 Stunden bis plötzlich der Motor stoppte und nicht mehr ansprang. Alle schrien, hatten Angst. Wir wussten nicht, was wir tun sollten.

 

Ich weiß nicht wieso wir glaubten, es könnte vielleicht helfen, aber wir alle warfen unsere Taschen über Bord.

 

 Und die Menschen sprachen leise, überlegten: was, wenn jemand über Bord geht, wer springt nach, wer rettet, wer wird sterben?

 

So trieben wir weitere 5 Stunden im Meer bis uns ein Schiff rettete.

 

Ich erzähle es dir gerne, was uns passiert ist, denn du sollst es den Leuten sagen, was wir erleben.

 

Und bis heute kann ich nicht an ein offenes Wasser gehen, ein Meer oder ein See, ich habe Angst, mein ganzer Körper hat Angst.

 

Meine Kinder haben lange gebraucht, bis sie wieder ins Wasser gegangen sind, aber heute gehen sie. Nicht ins Meer, aber in ein Schwimmbad. Über das Meer reden wir nicht.

 

Wir sind dankbar, dass Menschen kamen und uns retteten.

 

 

 

Das sind drei Berichte von Menschen von uns. Wir sind von Moabit hilft.

 

 

Wir sind viele und zu einem großen Teil besteht Moabit hilft aus Menschen, die fliehen mussten.

 

Uns verbindet die Überzeugung, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten.

 

 

Dass Menschenrechte nicht reglementiert werden dürfen.  Sie sind nicht verhandelbar.

 

 

Wir leben in einer Zeit des #fridayforfuture.

 

 

Einer Zeit, in denen unsere Kinder um ihre Zukunft bangen, weil wir ihre Zukunft bereits heute zerstören.

 

In anderen Ländern ist das, wovor sich unsere Jugend fürchtet, bereits Alltag. Neben Krieg, Diskriminierung, Tyrannei, Verfolgung werden Fluchtgründe immer deutlicher, die z.B. mit Hunger, zerstörten Lebensräumen und einer Zukunftslosigkeit begründet sind, die auch wir, hier in Europa, mit zu verantworten haben.

 

 

Und selbst innerhalb Europas sind auch wir hier in Deutschland mit verantwortlich für Flucht- und Migrationsbewegung innerhalb unseres Kontinentes.

 

 

Denn auch die europäische Wirtschaftspolitik lässt die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter öffnen.

 

 

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Wirtschaftsinteressen globalisiert werden, aber die Menschenrechte an Länder- oder der EU-Grenze enden.

 

Und aus diesem Grund sehen wir es als eine Schande an, dass wir überhaupt private Seenotrettung brauchen.

 

 

Es ist verachtenswert, dass dieses private Seenotretten dann auch noch ehrenamtlich erfolgen muss.

 

Und ganz und gar nicht zu verstehen ist es, dass das Retten von Menschenleben kriminalisiert wird.

 

 

 

In unseren Augen ist die aktuelle Asylpolitik menschenverachtend. Und solange sie das ist, solange wie wir Fluchtursachen nicht bekämpft haben, eher mit verursachen, müssen wir auf die Straße gehen und laut sein. Wir müssen Druck ausüben.

 

 

Und egal wie laut die AfD und andere Nationalist:innen sind, wir werden immer mehr als sie sein!

 

 

Es scheint, dass aktuell – wieder mal -  viel ziviler Ungehorsam nötig ist, um unsere Werte, Menschenrechte und Humanität zu bewahren.

 

 

Carola Rackete und ihre Crew hat uns allen gezeigt, wie es geht.

 

vorgetragen von Ronja, Mo und Christiane

 

Download
Redebeitrag Moabit hilft e.V. Seebrücke Demonstration 6. Juli 2019
SeebrückeJuli2019.pdf
Adobe Acrobat Dokument 233.4 KB

Der Redebeitrag von Carola Rackete

Redebeitrag Moabit hilft e.V.


Kontakt

Moabit hilft e.V.

Turmstr. 21

Haus R

10559 Berlin

 

Fon +49 30 35057538

info@moabit-hilft.com

[ Erreichbarkeit / Öffnungszeiten ]

 

PRESSEANFRAGEN:

Diana Henniges +49 160 964 80003

diana@moabit-hilft.com

Spenden mit Paypal

Spenden mit Betterplace

Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.


Newsletter

* Pflichtfeld
Meine Interessensgebiete

Frühere Newsletter