Der Direktor der Psychiatrie der Berliner Charité sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, bestätigt:
„Komplex erkrankte Patienten haben nicht nur hohe Wartezeiten, sondern finden oft gar keine ambulant arbeitenden Psychotherapeuten.“
aber der Berliner Landesbeauftragte für Psychiatrie Thomas Götz bemüht sich um Regelversorgung für Geflüchtete und schließt die Psychiatrische
Clearingstelle der Charité.
Am 05. Juni 2019 schrieb Be an Angel e.V. gemeinsam mit uns vom Moabit hilft e.V. einen offenen Brief an den Landesbeauftragten für Psychiatrie Herr Thomas Götz.
Diese Woche erhielten wir eine Antwort, bei der wir nur mit den Worten "Na super, wenn alles klappt, dann können wir ja auch schließen." bitter, kopfschüttelnd und sarkastisch reagieren.
Aber erstmal von vorne:
Der Hintergrund unseres offenen Briefes war, dass die einzige Clearingstelle für Berlin und Brandenburg zum 30.06.19 geschlossen werden sollte. Diese Frist ist nun zwar
bis zum 31.12.2019 verlängert, danach schließt diese einmalige Einrichtung endgültig.
Für alle die nicht wissen, welch wichtige Arbeit die Clearingstelle aktuell ausführt:
"Die von der Charité – Universitätsmedizin Berlin betriebene, bundesweit erste Psychiatrische Clearingstelle schließt eine Versorgungslücke, indem sie Geflüchteten kultursensibel eine
diagnostische Ersteinschätzung, ggf. die Einleitung einer Kurzintervention und die Weitervermittlung in ambulante Angebote anbietet."
Das bedeutet in der alltäglichen Arbeit, dass wir, Einrichtungen, Unterkünfte, Ärzte uvm. Geflüchtete, die z.B. an typischen Stress- oder Traumafolge-Symptomen, sprich
Schlafstörungen, Nervosität, Aggressivität, sozialer Rückzug, Unruhe oder auch bei Kindern nächtliches Einnässen leiden, zu der Clearingstelle schicken können, um eine erste Versorgung zu
erhalten.
Das bedeutet, dass nach vorheriger Terminvereinbarung die Patient:innen zeitnah von einem multilingualen Team in der transkulturellen Psychiatrie von erfahrenen Psychiater:innen
aus der Erwachsenen- und Kinder- und Jugendpsychiatrie untersucht werden.
Diese Einrichtung ist in Zeiten, in denen traumatisierte Geflüchtete und Folteropfer keinen ausreichenden Zugang zu Psychiater:innen erhalten, bis zu überlebensnotwendig.
Aktuell warten Geflüchtete rund sieben Monate auf eine Therapie, hier, davon können wir alle ausgehen, sind noch keine Dunkelziffern berücksichtigt. Denn die Zahl von Betroffenen, die sich von
einer Therapie mangels Angebote völlig abwenden, ist nach unserer alltäglichen Erfahrung exorbitant.
Schon lange fordern Gutachter mehr ambulante und teilstationäre Angebote. Insbesondere plädieren sie dafür, das ambulante Angebot an intensiven Behandlungen auszubauen.
Denn auch nicht geflüchtete Menschen, bei denen interkulturelle Parameter wie Sprache wegfallen, warten im Durchschnitt vier Monate auf den Beginn einer ambulanten Psychotherapie. Allerdings
kommt das durchaus auch auf die Therapie an, denn ebenso sind Wartezeiten von eineinhalb Jahren nicht ungewöhnlich. Psychisch kranke Menschen warten ein bis zwei Monate, wenn sie eine Behandlung
in einem psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhaus benötigen.
Der Direktor der Psychiatrie der Berliner Charité sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, bestätigt: „Komplex erkrankte Patienten haben nicht nur hohe
Wartezeiten, sondern finden oft gar keine ambulant arbeitenden Psychotherapeuten.“
Das ist sowohl für Geflüchtete als auch nicht geflüchtete Menschen untragbar!
Erschreckend ist, dass Recherchen unabhängiger Stellen darauf hinweisen, dass es sich bei Suiziden unter Geflüchteten nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Problem handelt.
Nicht unerwähnt darf man die Gefahr lassen, dass unbehandelte Geflüchtete ohne eine Begutachtung durch Fachleute sowohl von Abschiebungen als auch Fehlentscheidungen zum Asyl- oder
Aufenthaltsverfahren betroffen sind, ist die Antwort des Landesbeauftragten für Psychiatrie ein Schlag ins Gesicht sowohl von Betroffenen als auch Anwält:innen, Sozialarbeiter:innen und
–begleiter:innen uvm.
Wir sind nicht der Meinung, dass die Regelversorgung ausreichend ist.
Anbetracht der desolaten Versorgung im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, der fehlenden Sprachkompetenzen ansässiger Ärzt:innen, aber auch der transkulturellen Besonderheiten, sind wir
nicht, wie aber in dem Schreiben behauptet, der Meinung, dass die Regelversorgung ausreichend ist.
Ebenso erscheint es wie blanker Hohn, wenn behauptet wird, dass u.a. Kontakt- und Beratungsstellen, zu denen auch wir – weiterhin ohne jegliche Fördergelder – verstärkt wurden.
2019 ist nicht 2015/2016, damals ging es um das Füllen einer Versorgungslücke mangels ausreichender Krankenversicherungsleistungen.
Wir haben schon zu oft Floskeln gehört.
Solange es keine verbindlichen Zahlen gibt, solange lapidar von „verstärken“, von „verstetigen“ oder „weiter zu entwickeln“ geschrieben wird, verlassen wir uns auf unsere Erfahrungen mit
den entsprechenden Instanzen.
Und die haben uns gelehrt, dass diese Floskeln Worthülsen sind und am Ende die Betroffenen wieder mal alleine dastehen oder durch Bürger:innenengagement aufgefangen werden müssen.
Wie das bei der Thematik möglich sein soll, uns graut davor.
Aber lest selbst die Antwort, die wir erhalten haben.
Quellen:
https://www.lpk-bw.de
https://www.haz.de
https://www.aerzteblatt.de