Wir wollen Euch jetzt nicht mit den „kleinen“ alltäglichen Kämpfen langweilen, auch wenn diese für Betroffene eher große
sind.
Wir möchten Euch einfach mal ein paar Einblicke geben, gegen welche Wände wir aktuell bzw. seit einer ganzen Weile laufen und
versuchen einzureißen.
Hier unsere fünf größten Baustellen:
1) ------------------------ MOMO ------------------------
Es ist bereits ein wochenlanger Kampf.
In der Nacht zu Halloween wurde – wie ihr Euch erinnern werdet 😔 – der kleine Momo
getötet.
Uns alle hat das zutiefst erschüttert und auch heute gibt es immer wieder Situationen, in denen wir fassungslos sind.
Wir begleiten die Familie seit dem quasi Schritt für Schritt, denn alles ist für sie – verständlicherweise - schwer. Der Verlust
des Sohnes, der einem entgerissen wurde, aber als ob das nicht genug wäre, sind alle Folgeabläufe für sie einfach nicht umzusetzen.
Denn neben dem zu bewältigenden Alltag und dem Schmerz, ist das Home schooling, kein ausreichender Internetzugang, fehlende Laptops,
Drucker, Anträge stellen, WBS umschreiben, neue Unterlagen, weil Momo überall raus muss, Wohnungssuche (denn das jetzige Hostel erinnert zu sehr an Momo), Beerdigung, Traumabewältigung,
das anstehende Verfahren, Therapie… es ist zu viel.
Also nutzen wir unsere Netzwerke mit Anwält:innen, Lehrer:innen , Therapeut:innen, Ehrenamtlichen. <3
Egal wo, überall fehlen Sprachmittler:innen, geschweige denn fachlich kompetente. Und diese Situation ist
bezirksübergreifend.
Als ob die regelmäßigen Brandbriefe der Jugendämter, der Behörden an den Senat keine Relevanz hätten.
Bei diversen Bezirksämtern liegt der Wille an einer zielorientierten Zusammenarbeit oder die grundsätzliche Motivation zeitweilig
bei Null!
Es ist zermürbend. 🥴
E-Mail Fächer sind laut Aussagen von Mitarbeiter:innen voll, von Mailverkehr sei bitte abzusehen.
Telefonische Rückfragen, "natürlich" ausschließlich auf Deutsch – wenn man diese überhaupt erhält.
Betroffene selbst – wie in dem Fall von Momos Eltern, die nicht perfekt Behördendeutsch sprechen - haben so gar keine Möglichkeit,
selbst agieren zu können.
Persönliches Vorstellen wird abgelehnt, man solle sich per Brief oder Telefax an sie wenden.
Einige Behörden sind gut aufgestellt, aber nach 21 Jahrhundert riecht das großteils nicht.
Eins von vielen Beispielen:
Seit Wochen schiebt man weiterhin die Übernahme der Bestattungskosten von Momo hin und her.
Denn wir wollen, dass die dafür einstehen, die zuständig sind!
Und wir können Euch gerne mal einen O-Ton dazu geben:
„Ich kann Ihnen nicht sagen ob die Bewilligung für die Kostenübernahme ein Monat oder zwei Jahre dauert! Damit müssen Sie sich
jetzt zufrieden geben! Es braucht halt alles seine Zeit!“
Wir haben Anfang November (!) den Antrag gestellt.
2) ------------------------ SENAT ------------------------
Nebenher kämpfen wir für etwas, was wir schon lange fordern: eine Hausordnung und ein ordentliches Beschwerdemanagment betreffend
Unterkünfte.
Über unsere Zoom-Konferenzen, das Verantwortungs-Hin-und-Her-Schiebereien, die Workshops könnten wir mittlerweile ein Buch
füllen.
Seit Oktober fordern wir nun wieder die nötigen zugesagten Informationen ein…und warten…und warten…
Nicht selten haben wir das Gefühl, dass eine Zusammenarbeit mit führenden Initiativen ein Feigenblatt darstellen und als Alibi
fungieren sollen: der Außenwirkung wegen. Denn je kritischer man sich positioniert bzw. deutlicher man macht, dass Menschenrechte nicht diskutabel sind, desto mehr Widerstand wird einem
entgegen gebracht.
Ach ja, dass – wenn es mal so weit ist – diese Hausordnung und Beschwerdemanagment dann ausschließlich für Unterkünfte im Bereich
LAF gelten und nicht für die im Bereich Obdachlose bzw. Geflüchtete im ALG2-Bezug (Jobcenter/Unterbringung nach ASOG), sprich anerkanntem Aufenthalt, ist eine weitere bittere
Pille.
Dass Verantwortliche das trotzdem versucht werden, als Erfolg zu feiern, obwohl viele Menschen wieder ausgegrenzt werden, treibt uns
schon heute den Blutdruck nach oben.🤬
3) ------------------------ LAF aka SOCIAL aka LAGESO -------
Und wenn wir schon gerade beim LAF sind, diese Behörde macht einen wirklich immer wieder fassungslos, denn nach unserer Auffassung
betreiben sie quasi Arbeitsverweigerung.
Persönliche Vorstellung zur Problemlösung bzw. –abwendung – selbst in höchst akuten Fällen - ist nur mit Termin
bekommen.
Diese bekommt man aber nicht, da einfach mal die Mails nicht beantwortet werden.
Wir haben Klient:innen, denen Obdachlosigkeit droht oder Leistungen nicht gezahlt werden, selbst dann keine sofortige Vorsprache
möglich..
4) ------------------------ BEZIRK MITTE 😖 ------------------------
Auch zwischen Weihnachten und Neujahr wurden wieder die Schlafplätze von Alexandra, Anja und Basti an der Reederei Riedel /Beim
Gymnasium Tiergarten in Mitte ganz vorweihnachtlich und voller christlicher Nächstenliebe <not! 🤬> von einem Tag auf den anderen geräumt.
Die Habseligkeiten konnten von einer Anwohnerin noch mit viel Eigenengagement vor der Müllkippe bewahrt werden, denn der Behörde ist
das egal, denen ist da nur eins wichtig: O-Ton: „Alles muss weg! Jetzt!“
Menschen, die eh schon kaum etwas haben, nimmt man damit auch noch das weg, was sie warm hält, sie dran hängen oder sie einigermaßen
durch den Tag bringt.
Alexandra, Anja und Basti lebten seit Jahren zu dritt unter dieser Brücke. Ihre hart erkämpfte Würde der Selbstbestimmtheit – das
Wenige - hielt sie manchmal warm.
Aber das ist dem BEZIRKSAMT egal.
Genau dieses Verhalten zieht sich wie ein roter Faden durch die Wohnungslosenpolitik Mittes.
Menschenunwürdig.
Hauptsache die Straßen sind zum Flanieren frei. Alles soll ja optisch hübsch sein.
5) ------------------------ CORONA ------------------------
Wir von Moabit hilft sind regelmäßig durch unsere Arbeit mit Menschen konfrontiert, die dem Virus schutzlos ausgesetzt
sind.
Unter anderem sind sie es in den Gemeinschaftsunterkünften, aber auch als Obdachlose draußen auf der Straße.
Zeigt also ein*e Klient:in Symptome – wer weiß heutzutage schon, ob jemand gesund oder ansteckend ist? - können wir nicht einfach
einen Test machen, so wie es anderen ermöglicht wird.
Nein!
Wir sind angewiesen auf das Bezirksamt des Wohnortes.
Auch von der Senatsverwaltung auf Landesebene werden wir dahin verwiesen.
Dies bedeutet für einen Verein mit Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, sie, oder in dem Falle wir, müssten täglich zu rd. zehn
verschiedenen Bezirksämtern, die einen potentiellen Test durchführen müssen und mit unseren Anliegen zusätzlich auf Trab gehalten werden.
Schnelltests vor Ort ? Fehlanzeige!
Die müssen wir bezahlen. Für medizinisches Personal vor Ort müssten wir auch aufkommen.
Wovon bitte?!
Ergo, entweder wir tanzen auf dem Vulkan oder schließen Haus R für unsere Klient:innen.
Und das kann einfach nicht die Lösung sein.
Aber bisher interessiert es anscheinend niemanden. Einerseits schickt die Behörde gerne Hilfesuchende zu uns, aber von selbst auf uns
zukommen? Fehlanzeige!
Aber wie ihr wisst, wir atmen tief durch, ggf. auch mehrmals, und machen weiter und weiter.
✊✊✊✊✊✊✊✊
So, nu wisst Ihr Bescheid.
Bleibt bei uns, wir brauchen Euch.
Ja, natürlich, wir brauchen Fördermitglieder, Spenden, aber wir brauchen auch Euren Zuspruch, dass ihr uns mit Eurer Unterstützung die
Kraft gebt, die wir für unseren Job brauchen.
Danke an Euch !