Wenn Du so schwer krank bist, dass man für Dich bei deiner Vorsprache im Ankunftszentrum einen RTW ruft. Du dann zwei Wochen in einem fremden Land, fremde Sprache im Krankenhaus liegst. Niemanden kennst. Zwei Jahre später die Rechnung für diesen Krankenhausaufenthalt erhältst und der Leistungsträger, das LAF, sich weigert, die Kostenübernahme zu übernehmen, denn „du hättest ja im Krankenhaus den Asylantrag stellen können.“, dann bist Du einer dieser „vielen, vielen Einzelfälle“ beim LAF und hart in Berlin gelandet:
Unser Klient, nennen wir ihn Andrej*, erreicht Berlin Ende 2022. Seine gesundheitliche Verfassung ist schlimm, die „bösartige akute Bauchspeicheldrüsenentzündung und Flüssigkeiten in der
Bauchhöhle“ sind nur ein Auszug einer langen Liste an schweren Erkrankungen. Seine restliche Lebenserwartung liegt bei ca. 6 Jahren. Aber er war zuversichtlich, hier zu sein, ein wenig Würde und
Ruhe für die letzten Jahre.
Andrej* schafft es bis zum Ankunftszentrum und möchte Asyl beantragen. Aber seine schlechte gesundheitliche Verfassung ist so augenscheinlich, dass man ihm einen RTW ruft und er ins Krankenhaus
muss. Seine Daten nimmt niemand auf.
Den nächsten Tag entlässt man ihn, er schafft es gerade so zum Ankunftszentrum, dort angekommen wird ein weiteres Mal ein RTW rufen. Wieder nimmt niemand seine Daten auf.
Nach sechs Tagen ist er soweit stabilisiert, dass er abermals entlassen, das dritte Mal beim Ankunftszentrum vorspricht, seine Daten endlich aufgenommen werden und er registriert wird.
Völlig überraschend erhält er Anfang 2024 eine Rechnung des Krankenhauses. Er soll nun mehr als 3.000,- € bezahlen. Verzweifelt wendet er sich an uns.
Es ist empörend, dass das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in Berlin sich auf Social Media als Wohltäter darstellt, während in Wirklichkeit kranke und hilfsbedürftige Flüchtlinge
wie Andrej* in einer humanitär ungerechten Weise behandelt werden.
Dass der schwer kranke Andrej* erst bei seiner dritten Vorsprache registriert wurde, ist nicht sein Fehler!
Darauf deutlich, mehrmals hingewiesen, schreibt uns der Sozialdienst:
„Es gibt in allen Krankenhäusern die Möglichkeit, über die Sozialarbeiter/innen einen Asylantrag aus dem Krankenhaus heraus zu stellen.“
Nicht, dass wir das Krankenhaus nicht auch kontaktiert hätten. Nach endlosen Versuchen, jemanden des Sozialdienstes zu erreichen und kurzer Schilderung des Sachverhaltes, erklärt man uns
telefonisch, dass zu dem Zeitraum eh keine Sozialarbeitenden im Krankenhaus zur Verfügung standen.
Auch von befreundeten Organisationen erfahren wir, dass es in dem Krankenhaus keine aufsuchende Sozialarbeit gibt. Wenn, dann werden diese durch Chefärzt*innen geordert. Aber das passiert eher
nie.
Es ist Anbetracht des Gesundheitszustands von Andrej* eine groteske und unmenschliche Forderung des LAF.
Dieses Verhalten ist nicht nur verantwortungslos, sondern zeugt in unseren Augen von einer tiefen Missachtung der Würde und Rechte von Geflüchteten.
Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass die Behörden ihre Pflichten vernachlässigen und die Schwächsten in unserer Gesellschaft im Stich lassen, während sie gleichzeitig in den sozialen Medien ein
Bild von Mitgefühl und Fürsorge vermitteln.
Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Darstellung und tatsächlichem Handeln ist ein schockierendes Beispiel für institutionelle Heuchelei und humanitäre Ungerechtigkeit.
Es lässt einen wirklich sprachlos zurück.
Das LAF hat unseren Klienten einfach fallen lassen.
Und wir wissen, dass er nicht der Einzige ist.
Andere Betroffene gehen nicht in die Beratung. Sie machen stillschweigend Ratenzahlungsvereinbarungen mit Krankenhäusern oder der Feuerwehr.
Was für den schwerkranken Andrej* daraus folgt:
niemals eine Wohnung, weil negativer Schufa-Eintrag, weil jahrelange Ratenzahlung oder Insolvenz, wegen dieser Verschuldung. Wer weiß, ob er bis zu seinem Lebensende überhaupt den Betrag abzahlen kann.
Aktuell ist Andrej* in so schlechter gesundheitlicher Verfassung, dass wir keinen Termin mit ihm absprechen können.
Wir sind wütend!
*Name aus Datenschutzgründen geändert